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Entscheidung des BVerwG vom 01. Juni 2011

Aktuell hat das Bundesverwaltungsgericht in einem Revisionsverfahren (8 C 2.10) ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Baden-Württemberg mit Entscheidung vom 31.05.2011 aufgehoben, mit welchem dieses zunächst noch eine Untersagungsverfügung des Landes Baden-Württemberg, vertreten durch das Regierungspräsidium Karlsruhe, als rechtmäßig bestätigt hatte. Dieses Urteil war vor der Entscheidung des EuGH vom 08.09.2010 ergangen. Nunmehr ist das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zurückverwiesen worden.

In der nunmehr bekannt gegebenen Urteilsbegründung führt der 8. Senat folgendes zur begründeten Revision aus.

 

Das angefochtene Urteil beruht auf einer unzutreffenden Anwendung des Art. 12 Abs. 1 GG und 56 AEUV, soweit es ohne Differenzierung nach dem Aussagegehalt davon ausgeht, eine allgemeine Imagewerbung des Monopolanbieters sei verfassungs- und unionsrechtlich unbedenklich. Darüber hinaus beruht es auf einer fehlerhaften Annahme, Art. 49 und 56 AEUV erforderten eine Kohärenzprüfung der Monopolregelung nur anhand des betroffenen Glücksspielsektors bezogen auf das jeweilige Bundesland. Da sich das Urteil auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig darstellt, war die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 4 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) (S. 6 des Urteils).

Das BVerwG geht von der berufungsgerichtlichen Auslegung und Anwendung des irrevisiblen Glücksspielstaatsvertrages aus und nimmt an, dass § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 GlüStV die Grundlage für Untersagungsverfügungen sei. Zudem handele es sich vorliegend um eine Tätigkeit, die nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV ausschließlich von der Behörde veranstaltet und vermittelt werden dürfe. Eine Erteilung einer Erlaubnis an private Anbieter sei nach § 4 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV ausgeschlossen, „weil diese Vorschriften eine Vermittlung von Sportwetten an andere Veranstalter als die Träger des staatlichen Sportwettenmonopols verbieten“ (S. 7 f.).

Den Verstoß der Untersagungsverfügung gegen Art. 12 Abs. 1 GG begründet der 8. Senat damit, dass der Eingriff auf einer unzutreffenden Konkretisierung der Anforderungen, die das Gebot der Verhältnismäßigkeit an Eingriffe in die Berufswahlfreiheit stellt, beruht. Dies gelte namentlich für die berufungsgerichtliche Konkretisierung der Werbebeschränkung in § 5 Abs. 1 und 2 GlüStV, soweit sie eine allgemeine Imagewerbung für den Deutschen Toto- und Lotto-Block ohne Differenzierung nach dem Aussagegehalt für rechtlich zulässig erachtet (S. 9 ff).

Den Verstoß gegen die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit bzw. Niederlassungsfreiheit begründet das Gericht durch eine falsche berufungsgerichtliche Annahme des Kohärenzkriteriums (S. 15). Insofern entspricht der 8. Senat seiner bisherigen Rechtsprechung und den Maßgaben des EuGH.

Der Erlaubnisvorbehalt des § 4 Abs. 1 GlüStV und der Ausschluss einer Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten an private Anbieter (…) stellen eine rechtfertigungsbedürftige Beschränkung“ der genannten Freiheiten dar (S. 15). Eine solche Rechtfertigung läge nicht vor. Denn die gegenständliche Monopolregelung verbiete zwar die Vermittlung von Sportwetten, gewähre jedoch insbesondere im Bereich der Regelungen der Spielverordnung das Betreiben des Automatenspiels durch private Anbieter. Das Berufungsgericht habe diese Sektoren auf das jeweilige Suchtpotential zu untersuchen und die Auswirkungen dieser ungleichen Regelungen auf den gesamten Glücksspielbereich festzustellen. Daher bezweifelt der 8. Senat die Geeignetheit der Monopolregelung im Bereich der Sportwetten zur Durchsetzung eines einheitlichen Jugend- und Spielerschutzes (vgl. S. 20 f.).

 

Schließlich führt der 8. Senat zu der wichtigen Frage der Koppelung des Erlaubnisvorbehalts an das Sportwettenmonopol wie folgt aus:

 

Entgegen der Auffassung des Beklagten sei die Untersagungsverfügung nicht schon unabhängig von der Wirksamkeit des Sportwettenmonopols rechtmäßig. Der Beklagte beruft sich zwar darauf, dass die Klägerin Sportwetten jedenfalls entgegen § 4 Abs. 1 GlüStV ohne Erlaubnis sowie unter Verstoß gegen das Live-Wetten-Verbot (§ 21 Abs. 2 Satz 3 GlüStV) und das Internetverbot (§ 4 Abs. 4 GlüStV) anbiete und die von ihr vermittelten Spielverträge inhaltlich den Anforderungen des § 1 GlüStV nicht genügten. Damit lässt sich jedoch die angefochtene Verfügung jedoch nicht aufrechterhalten. Zum einen fehlen bislang Feststellungen dazu, ob die Klägerin tatsächlich Live-Wetten vermittelt, das Internet nutzt und/oder die vermittelten Verträge ihrem Inhalt nach gegen § 1 GlüStV verstoßen. Zum anderen rechtfertigt der Erlaubnisvorbehalt eine vollständige Untersagungsverfügung nur bei Fehlen der Erlaubnisfähigkeit; bei Zweifeln über die Beachtung von Vorschriften über die Art und Weise der Gewerbetätigkeit kommen zunächst Nebenbestimmungen in Betracht. Schließlich hat der Beklagte sein Ermessen nicht mit Blick auf die nunmehr angeführten rechtlichen Gesichtspunkte ausgeübt. Ermessenserwägungen können im gerichtlichen Verfahren nur ergänzt, aber nicht völlig ausgewechselt werden (…). Es ist auch nicht ersichtlich dass die Voraussetzungen gegeben wären, unter denen das behördliche Ermessen zulasten der Klägerin auf Null reduziert wäre“ (S. 22 f.).